Grossbärg im Wallis
Die guten alten Zeiten auf dem Grossbärg
Geschichten und Vermutungen über die Vergangenheit des Grossbärg gibt es viele. Die Generationen die viele interessante Details erzählen könnten, sind mehrheitlich nicht mehr da. Sie haben den Grossbärg mit Liebe, harter Arbeit und viel Innovation zu einer wunderschönen Voralp gemacht.
Vieles ist bis heute erhalten geblieben. Einiges ist verloren gegangen: Kartoffeläcker fehlen jetzt, Trockenmauern zerfallen, Ställe brechen zusammen, Felsabbrüche zerstören ehemalige Äckerchen und wertvolles Weideland.
Was aber noch vorhanden und erhaltenswert ist, gilt es auch heute noch zu pflegen. Dafür setzen sich die wenigen verbliebenen Bewohner des Grossbärg mit Herzblut ein.
Die Bewohner
Mehrere kinderreiche Familien mit gesamthaft bis 50 Personen lebten von der Schneeschmelze im Frühling bis zu Weihnachten auf dem Grossbärg. Sie bewirtschafteten 17 Hektaren steiles Weide- und Ackerland. Die schulpflichtigen Kinder besuchten die Schule in Embd. Der Fussmarsch dorthin dauerte morgens und abends fast eine Stunde. Einige Väter arbeiteten werktags zusätzlich zur Alparbeit im Quarzitabbau von Embd und St. Niklaus oder beim Bau der Walliser Stauseeanlagen.
Die Nutztiere
Bis zu 30 Kühe, Kälber und Rinder wurden im Frühsommer von den Winterquartieren in Embd auf den Grossbärg getrieben. Wahrscheinlich waren sie von der Eringer-Rasse, jedoch von kleinerem Wuchs als die heutigen. Sie versorgten die Familien mit Milch und Butter. Erst bei grösserem Schneefall wurden sie in tiefere Lagen gebracht. Schafe auf dem Grossbärg gingen im Hochsommer in höher gelegene Alpweiden Richtung Augstbord. Einige Schweine wurden wahrscheinlich auch gehalten.
Die Zugangswege
Zusätzlich zum Hauptweg ab Embd über das Bächi und den Embdbach zum Grossbärg existierten weitere Bergpfade. Einer davon führte in steilstem Felsgelände abwärts nach St. Niklaus ins Mattertal, dieser Weg ist heute nicht mehr begehbar. Ein weiterer ging zum Quarzitabbau-Bergwerk und dann ins untere Embd, mit einer Leiter wurde eine senkrechte Wand überwunden. Die höher gelegenen Alpweiden Richtung Augstbordpass waren auf dem Pfad entlang der Suone erreichbar.
Die Wohnverhältnisse
Die Stuben in den Maiensässen waren gleichzeitig auch Ess- und Schlafzimmer. Mehrere Kinder teilten sich ein Strohmatratzen-Bett. Geheizt wurde mit Giltsteinöfen, gekocht auf offenem Feuer oder Eisenöfen. Das Holz dafür wurde mühsam in umliegenden Wäldern gesammelt, Bäume durften nicht gefällt werden. Die Ernte von kleinen Kartoffel- und Getreideäckern sowie Gemüsegärten füllte die Kochtöpfe. Hin und wieder soll auch ein gewildertes Gämsi den Weg auf den Esstisch gefunden haben.
Das obere Meiensäss
Das obere stattliche Maiensäss mit vier Wohnungen und herrlicher Rundsicht entstand in mehreren Bauetappen. Jahrzahlen in den jeweiligen Stuben-Deckenbalken zeigen die Baujahre: 1833, 1836, 1860, 1864. Erbaut wurde der Blockbau mit handbearbeiteten Lärchenbalken. Das Dach ist gedeckt mit den für diese Gegend typischen Kalpetraner Quarzitplatten. Jede Wohnung hat eine Küche und eine Stube. In den Kellern wurden Vorräte auf mäusesicheren Tablaren gelagert. Grosse Teile des Maiensässes sind heute noch im Originalzustand.
Der Spycher
Der wunderschöne, doppelstöckige gut erhaltene Spycher, datiert 1851, ist ein typisches Walliser Gebäude. Stelzen und Mäuseplatten hindern Nagetiere daran im Spycher eingelagerte Vorräte und Trockenfleisch zu plündern. Jede Familie besass eines der vier Abteile.
Der Stadel
Wie der Spycher ist auch der alte Stadel, datiert 1869, mäusesicher gebaut worden. Hier wurde neben anderem auch das Getreide, wahrscheinlich Roggen, gelagert. Im Unterbau gibt es zwei niedrige Ställe für das Kleinvieh.
Die Gädi
Die oberste alte Stallscheune erhielt später einen kleinen Anbau, der als Wohnung genutzt wurde. Der Doppelstall direkt beim Maiensäss aus dem Jahr 1811 ist wahrscheinlich das erste im Grossbärg errichtete Gebäude. Der südliche baufällige Anbau wurde später renoviert und das Dach neu gedeckt. Zwei weitere Ställe wurden erst im 20. Jahrhundert gebaut. In der über den Ställen liegenden Etage wurde das im Sommer eingebrachte Heu für die Fütterung im Spätherbst und Winteranfang gelagert.
Die Suone
Voraussetzung für die Bewirtschaftung der Sömmerungsweiden und Äcker war die Zuführung von Wässerwasser. Der Bau der Suone mit dem Namen «Grossbärgeri» war wohl eines der ersten gemeinschaftlichen Werke der Alpbewirtschafter. 300 Meter oberhalb des Grossbärg wurde Wasser vom zwei Kilometer entfernten Embdbach gefasst. Der Bau der Wassergräben, die Montage von Holzkäneln entlang von Felsen, wie auch der spätere Unterhalt im felsigen, steilen Gelände war mühsam und kompliziert.
Die Bewässerung
Viel Sonne, wenig Regen und trockene Winde liessen keine dauerhafte Bewirtschaftung zu. Von der Suone zugeführtes Wasser vom Embdbach wurde deshalb auf dem Grossbärg in horizontal verlaufende Wassergräben geleitet. Jeder Landbesitzer bekam Bewässerungs-Zeitfenster für seine Parzellen. Durch Öffnen und Schliessen der Gräben mit Steinplatten wurde das Wasser an die gewünschten Orte geleitet. Die Verteilung des wertvollen Nass tagsüber und auch nachts war eine Sisyphusarbeit.
Das Trinkwasser
Auf dem Grossbärg gab es Typhus-Erkrankungen, weil kein sauberes Trinkwasser verfügbar war. Besserung versprach der Bau eines eigenen kleinen Reservoirs, welches von zwei Quellen gespiesen wird. Die neu erstellte Wasserzuführung zum Grossbärg mittels zwei Leitungen brachte reines Wasser zu den Brunnen und Wohnhäusern. Im oberen Maiensäss muss das Wasser noch heute vom Brunnen geholt werden. In den unteren Wohngebäuden gibt es Quellwasser bis ins Haus.
Die Stromerzeugung
Die Genossenschaft Grossbärg hatte die Gelegenheit einen ausgemusterten Starkstromgenerator zu erwerben. Ein Gebäude für die Unterbringung der Turbine wurde gebaut. Mit dem Wässerwasser der Hauptleitung wurde diese angetrieben. Strommasten wurden aufgerichtet. Wohnungen wurden angeschlossen, in den Küchen Elektroherde installiert, Heizkörper in Wohnräumen montiert. Das alles war nur möglich dank vielen freiwilligen Helfern. Die Anlage hat aber über längere Zeit nie richtig funktioniert.
Die Seilbahn
Der Fussweg von Embd zum Grossbärg war schmal und beschwerlich, bei starkem Schneefall gefährlich oder nicht begehbar. Alles Material musste auf den Buckeln von starken Männern hoch- oder heruntergetragen werden. In den 60er Jahren wurde deshalb, mit finanzieller Hilfe des Kantons, ab Embd eine Seilbahn für Personen-, Tier- und Gütertransporte gebaut. Heute stehen nur noch das kleine Gebäude und die Seilverankerung der Endstation, sowie einige Betonsockel der Zwischenmasten.
Der Skilift
Welcher experimentierfreudige Grossbärgler die anderen Bewohner für den Bau eines Skilifts überzeugen konnte, ist nicht bekannt. Neben dem Stromgeneratorgebäude jedenfalls wurde die untere Station des Schlepplifts gebaut. Für den Antrieb wurde ein Steyr-Dieselmotor montiert. Über Zwischenmasten wurde nach etwa 200 Metern der obere Ausstieg erreicht. Tageskarten für die kurze Abfahrt konnten für wenige Franken gekauft werden. Der Niedergang eines Erdrutsches beendete die Skiträume.
Die Erneuerung der Bewässerung
Um die Bewässerung zu erleichtern, wurden mit grossem Aufwand Wässerwasser-Reservoire gebaut: eines beim Embdbach, ein zweites im obersten Teil des Grossbärg. Dazwischen wurde das Hauptrohr im Boden verlegt. Die auf dem ganzen Weidegebiet erstellten Spritzen zur Berieselung sind mit einem ausgeklügelten Rohrsystem mit dem Reservoir verbunden. Noch heute ist dieses Berieselungssystem zum grössten Teil in Betrieb, da und dort hat der Rost aber Unterbrüche verursacht.
Der Wegausbau
Dank guten Beziehungen zum Kader der Schweizer Armee konnte der Zugangsweg ab dem Embdbach sicherer und in der schneearmen Zeit befahrbar gemacht werden. Pioniertruppen sprengten Felsen und verbreiterten den bestehenden Pfad. Nur geländetaugliche, schmale Fahrzeuge mit mutigen Fahrern und Passagieren schaffen die steilsten Wegpassagen. Im Winter ist jedoch ein Fussmarsch bei viel Schnee zum Grossbärg wegen Schneerutschen und Eis anstrengend.
Die Utopien
In Planung waren weitere, nie fertiggestellte Projekte: Der Bau einer Seilbahn nach Grächen zur Erschliessung für den Tourismus; ein kleiner Hotelbetrieb - das Kellergeschoss und eine kleine Seilbahn ins untere Embd wurden noch gebaut; ein zweites geplantes Restaurant im unteren Maiensäss wurde nie in Betrieb genommen.